Untote! Man kann ihnen nicht entkommen, sie sind heutzutage überall. In TV-Serien, Games, Kinofilme, ja selbst im real-live auf offener Straße sind sie unvermeidlich geworden. Und nun haben sie auch Michelstadt übernommen, wie uns die neueste Inszenierung der Odenwälder Theatertruppe Spiellust im Michelstädter Stadthaus zeigt. Und da Spiellust kulturbewusste Kultur schafft, sind es natürlich nicht die tumben, gierigen Massen der Walking Dead oder der rasende Mob eines Worldwar Z. Die Untoten im Stadthaus sind von der ganz klassischen Sorte, quasi Modell anno dazumal. Aber: Auch bei dieser Ur-Ur-Version der lebenden Toten gelten die eheren Grundregeln des Untoten-Genres: Lass dich bloß nicht beißen! Denn wer gebissen wird, der ist es Un-Todes. Es droht der Untergang der Stadt, weil Untoterei sich stets wie eine Seuche verbreitet. Glücklicherweise gibt es einige Tricks, mit denen die Untoten ins endgültige Jenseits befördert werden können. Aber wehe! Es ist ein Kampf auf Leben und Tod, ääh Un-Tod.
Und hier das ganze Grauen mit allen Bildern: Komplette Bilderschau
Inspiration haben sich die Macher des Theaterstücks von den ganz großen Klassikern des Genres der lebenden Leichen geholt. Zwar hätte George Romeros Dawn of the Dead von 1978 auch auf Michelstadt gepasst, doch standen Kaufland oder Toom wohl nicht als Aufführungsorte zur Verfügung. Zudem reicht das schmale Produktionsbudget eines Amateurtheaters einfach nicht zur Fütterung solch immenser, ewig gefräßiger Komparsenhorden. So wurde es dann Bram Stokers Dracula, oder vielmehr F.W. Murnaus urheberrechtsabgabenfreie Nacherzählung der Dracula-Geschichte, die ja zugleich inspiriert war von der Inspiration für Stoker, einer Schauerreportage über die Sitten auf dem Balkan. In der Hauptrolle der Reportage: Ein gewisser Nosferatu, quasi die verkörperte Seuche.
Gezeigt wird im Stadthaus nebenbei auch eine Neuverfilmung von Murnaus Stummfilm-Schauerschinkens von 1921 an den Michelstädter Originalschauplätzen. Natürlich darf die Hommage an den die Kleinstadt erregenden Aufenthalt der Filmleute im Städtchen nicht fehlen (sowas lieben wir hier), sowie das Gemunkele über die (schon damals längst unter den Teppich gekehrten) Vermisstenfälle, die die Filmleute von der besonderen Eignung dieser Kleinstadt für Horrorgeschichten überzeugten.
In einer bizarren quasi-religiösen Wendung erinnert das Stück auch daran, dass die christlich-abendländische Kulturgeschichte noch an anderen Stellen als dem Horrorkino das Motiv eines aus seinem Grab steigenden Mannes kennt. Das sind wahre Theaterschicksale: Einmal die richtige Abfahrt gen Himmel verpasst, und schon ist das eigentlich ewig Gute unablässig mordend unterwegs, weil es das ewige Leben eben so erfordert. Und natürlich fühlt es sich in seinem Innersten zutiefst unverstanden von der Welt. Jaaa, und dann Drama: Hass ist nur unerwiderte Liebe, Barmherzigkeit ist purer Egoismus und Weiterleben eine Strafe.
Aber trotz aller Volten, die Inszenierung hält sich verlässlich an alle Regeln des Horrorfilms, auch die des Teenie-Slashers: Sex zu haben führt unweigerlich zum Tode. Wegen FSK 12 und Stoff aus dem 19. Jahrhundert reichen hier bei den Damen aber auch schon weiche Knie ob der enormen erotischen Ausstrahlungskraft des Grafen. Selbst das Happy End ist by the book: Wer sterben musste, ist nur untot. Und die Untoten, ja die kommen bestimmt wieder.